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Denk dich gesund! Teil 1

von Michael Schimpke (Kommentare: 0)

Denk dich gesund! - Teil 1
Was sind gesunde Gedanken? Die drei seelischen Faktoren der Gesundheit.

 

Was ist Gesundheit?

Es klingt absurd, aber das Thema Gesundheit hat in der traditionellen Medizin lange Zeit ein Schattendasein geführt. Als gesund galt derjenige, der nicht krank war.
Im Mittelpunkt der medizinischen Betrachtung stand die Krankheit oder genauer gesagt, die Krankheiten. Es fällt auf, dass es zwar Krankeiten gibt, nicht aber „Gesundheiten”. Dies ergibt sich aus der medizinischen Sichtweise: während Gesundheit eher als allgemeiner Zustand des gesamten Organismus aufgefasst wird, fällt der Blick bei Krankheiten auf die vielen unterschiedlichen Organe und Strukturen des Körpers. Diese zahlreichen organischen Erkrankungen werden natürlich jede für sich betrachtet, analysiert und behandelt.

Konzentrieren wir uns jedoch auf Gesundheit, so gibt bereits die deutsche Grammatik vor, dass dies ein ganzheitlicher Zustand ist.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte bereits vor einigen Jahrzehnten Gesundheit als einen „Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens, nicht nur als Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen”.
Die WHO hat also Gesundheit im Sinne einer Zielbestimmung positiv formuliert, allerdings bleibt die Definition noch sehr allgemein und schwammig. Vor allem fehlt die Antwort auf die Frage: Wie wird man gesund?

 

Was sagen die Gesundheitspsychologen?

Nun haben auch die Psychologen in den letzten Jahren ihr Scherflein zur Gesundheitsdebatte beigetragen und als neue Teildisziplin die Gesundheitspsychologie eingeführt. Doch auch die Gesundheitspsychologie widmet einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit den Krankheiten bzw. der Vermeidung von Risikofaktoren.
Risikofaktoren sind gesundheitsbeeinträchtigende Verhaltensweisen und Einflüsse. In Deutschland steht zum Beispiel an erster Stelle der Risikofaktoren der Bewegungsmangel. Es folgen schlechte Ernährung und das Rauchen. Wenn ich also den ganzen Tag auf unergonomischen Stühlen sitze, mich von dort zum Fahrstuhl bewege, von diesem zu meinem Auto, unterwegs einen Hamburger mit Fritten vertilge (am besten im Drive-In!) und anschließend eine Zigarette „genieße” - dann habe ich gute Chancen, nicht besonders alt zu werden. Das ist mittlerweile auch durch zahlreiche Untersuchungen nachgewiesen.
Zur Förderung von Gesundheit (und vor allem zur Verminderung von Risikofaktoren) wurden in der Vergangenheit die unterschiedlichsten Trainingsprogramme aufgelegt und durchgeführt. So gibt es Kurse zur vollwertigen Ernährung, Raucherentwöhnungsprogramme, Stressbewältigungsseminare, Bewegungskurse für Herzkranke, Rückenschulen und vieles mehr. Die meisten dieser Kurse sind verhaltenstherapeutisch angelegt, viele sind auch standardisiert (z.B. „Nichtrauchen in zehn Wochen”). Sie funktionieren dann, wenn der Kursteilnehmer sich und sein Leben sehr stark kontrolliert und sich „zusammenreißt”.
Vielleicht fällt uns dazu das alte Sprichwort ein „Nach der Gesundheit leben ist ein elend Leben”. Oft fehlt der Faktor Spaß und deswegen werden gesundheitsfördende Verhaltensweisen oft auch nicht beibehalten, wenn der Kurs vorüber ist. Auch werden tiefergehende Fragen (Was ist mein Lebenssinn? Welche Wertvorstellungen habe ich? Wie löse ich meine inneren Konflikte?) in der Regel ausgeblendet.
Gesundheitspsychologisch fundierte Trainingsprogramme sind daher ein Schritt in die richtige Richtung, sie reichen aber in ihrer momentanen Form nicht aus.

 


Was geht im Kopf gesunder Menschen vor?

Noch einmal zurück zur eingangs gestellten Frage: Was ist Gesundheit?
Eine neuere Teilrichtung der Gesundheitspsychologie zur Klärung dieser Frage befasst sich mit der „Salutogenese”, wörtlich übersetzt „Entstehung von Gesundheit”.
Der Ausdruck orientiert sich natürlich an dem bekannten Konzept der Pathogenese, der Entstehung und Entwicklung von Krankheiten. Der plakative Ausdruck "Salutogenese" wirkt geradezu wie eine Parodie auf "Pathogenese".

Im Mittelpunkt stehen nicht die Risikofaktoren (also das, was man nicht tun sollte) sondern die Gesundheitsfaktoren (was tun die Menschen stattdessen?).

Aaron Antonovsky, ein israelisch-amerikanischer Soziologe, sah Gesundheit und Krankheit nicht als strikten Gegensatz sondern als zwei Pole an den beiden entgegengesetzten Enden einer Skala. Meistens bewegen wir uns zwischen diesen beiden Polen irgendwo im mittleren Bereich.


Gesundheit I---------------------------x--------------------------I Krankheit


Personen, die sich in Richtung auf Gesundheit bewegen, berichten über körperliches Wohlbefinden (Ruhe, Entspannung, Lustempfinden, Frische) und psychische Ausgeglichenheit (Lebensfreude, Zufriedenheit, Konzentrationsfähigkeit). Ob wir uns in Richtung Gesundheit oder aber in Richtung Krankheit bewegen, hängt dabei gar nicht so sehr von äußeren Umständen ab, sondern von unseren inneren Einstellungen.
So wurden leitende Angestellte eines Betriebes untersucht, die in ihrem Beruf höchstem Stress ausgesetzt waren. Ein Teil dieser Führungskräfte erkrankte häufig, ein anderer Teil nicht.
Die Kranken zeigten Entfremdungstendenzen, Gleichgültigkeit, starre Gewohnheiten und Hilflosigkeit während die Gesunden sich durch Engagement, Neugier und Flexibilität bei Aufgabenstellungen auswiesen. Ferner bewerteten die Gesunden Probleme als Herausforderungen und hatten den Glauben, ihr Leben meistern zu können. Ein häufig geäußerter Satz war „Das Leben geht immer weiter”.
Andere Untersuchungen differenzierten zwischen Optimisten und Pessimisten. Es zeigte sich, daß Optimisten eine höhere Lebenserwartung haben, Krankheiten schneller bewältigen, über reife Abwehrmechanismen verfügen (Humor, Sublimierung) und vor allem an die eigene „Selbstwirksamkeit” glauben.

Antonovsky, Begründer und Hauptvertreter der Salutogenese, ging in seinen Studien noch einen Schritt weiter und untersuchte Menschen, die extreme Situationen erlebt hatten. In einer Untersuchung von 1970 befasste er sich mit Frauen, die die Zeit im Konzentrationslager überlebt hatten und befragte sie nach ihrer Gesundheit. Der Anteil der gesunden Frauen in dieser Gruppe betrug 29%. Bei gleich alten Frauen, die eine derartige Traumatisierung nicht erlebt hatten, betrug der Anteil der Gesunden 51%. Antonovsky war darüber überrascht, dass immerhin 29% der Betroffenen gesund an Leib und Seele waren und stellte sich die Frage, was an dieser Gruppe so besonders war, dass sie gegen Stress immun schienen.

Die stressresistente Teilgruppe wies drei mentale Gemeinsamkeiten auf:

1. Das Gefühl der Verstehbarkeit
Die Welt und das Leben werden als verständlich, strukturiert und geordnet angesehen. Es existieren Regeln, viele Dinge sind vorhersagbar. Es existiert eine Art von Ordnung in der Welt. Ein Mensch, der dies glaubt, ist das Gegenteil eines Paranoikers.
Dieser Mensch durchschaut das Leben.
Wichtige Fragen sind: Was passiert eigentlich und wie hängen die Dinge zusammen?

2. Das Gefühl der Machbarkeit
Es besteht ein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, es gibt die Überzeugung, dass Aufgaben gelöst werden können, wenn man seine Ressourcen einsetzt. Veränderungen sind Herausforderungen, die bewältigt werden können.
Dieser Mensch kann sein Leben meistern.
Hier lautet die Frage: Was kann ich tun, um die momentane Situation zu meistern?

3. Das Gefühl der Bedeutsamkeit
Das ist der Glaube an die Sinnhaftigkeit der Existenz, das Leben ist der Mühe wert, es lohnt die Anstrengung und das Engagement, auch wenn es Kämpfe und Belastungen gibt.
Dieser Mensch will sein Leben meistern, weil es der Mühe wert ist.
Die dazu passende Frage ist: Wofür ist es gut, dass ich mich jetzt engagiere?

Diese drei Faktoren bilden zusammen das Kohärenzgefühl. Kohärenz heißt Zusammenhalt. So ist bespielsweise Laserlicht ein kohärentes Licht, also besonders energiereich, gebündelt und konzentriert.

Das Kohärenzgefühl ist demnach ein ursächlicher Einflussfaktor auf Gesundheit. Je stärker das Gefühl von Kohärenz bei einem Menschen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Mensch sich in die Richtung von Gesundheit bewegt.

Auf englisch wird das Kohärenzgefühl als Sense of Coherence, kurz SOC bezeichnet. Der SOC-Wert lässt sich mit Hilfe eines Fragebogens ermitteln. SOC hat eine Steuerungsfunktion und bezieht sich vor allem auf die psychische Gesundheit. Ein hoher SOC-Wert hängt mit einer geringen Ausprägung von Depressionen und Ängstlichkeit zusammen. Menschen mit einem starken Kohärenzgefühl gehen auch mit Stress besser um: sie sehen schwierige Situationen als Herausforderungen und bauen Stress schneller wieder ab als andere.
Kohärenz entsteht in Kindheit und Jugend, entwickelt sich aber auch im Erwachsenenalter noch weiter und ist wichtig für Therapie, Prävention und Rehabilitation. Die gute Nachricht: Durch Coaching lässt sich die eigene Kohärenz verbessern.


Warum ist Kohärenz in der heutigen Zeit so wichtig?                                                                                         

Wir leben in einem Zeitalter, das die Neurosen prächtig erblühen lässt. Einige wichtige Faktoren dafür sind:
• ein ansteigendes Tempo rasanter gesellschaftlicher Veränderungen
• das Leben in einer entgrenzten Möglichkeitsgesellschaft: dem Einzelnen stehen alle möglichen Wege offen, was fehlt, ist    oft die innere Orientierung
• der gefühlte ständige Selbstoptimierungsdruck
• die permanente Erreichbarkeit
• Ablenkungen durch Soziale Medien und Smartphones

In welchselnden Beziehungen müssen wir es schaffen, uns eine Identität zu geben. Menschen sind immer mehr gefragt, ihren eigenen Standpunkt zu finden. Oft ist es gar nicht mehr möglich, sich bei den Vorbildern von früher, den eigenen Eltern, etwas „abzuschauen”.
Der Mensch von heute wechselt häufig den Arbeitsplatz und die Tätigkeit, hat oft unterschiedliche Jobs gleichzeitig und ist permanent in einer virtuellen Zweitrealität unterwegs. Er bewegt sich daher tagtäglich in Dutzenden von verschiedenen Rollen und muss dabei doch das Gefühl dafür wahren, wer er eigentlich ist.
Aus diesen vielen Gründen ist die Suche nach Kontinuität und Kohärenz besonders bedeutend geworden. Kohärenz fällt uns nicht von alleine in den Schoß, wir müssen etwas dafür tun. Dazu zählt beispielsweise, sich selbst Leitziele für sein Leben zu setzen, sich die eigenen Wertvorstellungen bewusst zu machen, Ablenkungen auch einmal zu widerstehen und innere Blockaden in Handlungsenergie zu verwandeln. Und viele Menschen sind tatsächlich auch auf der Suche nach übergeordneten Werten und einem Sinn in ihrem Leben. Mentale Kohärenz ist heutzutage wichtiger denn je.

Wer mehr über Salutogenese erfahren möchte, dem empfehle ich den Band 06 der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Was erhält Menschen gesund? Antonovsky Modell der Salutogenese.
Hier als kostenloser Download: https://www.bzga.de/botmed_60606000.html

Teil 2 des Artikels über Salutogenese wird sich mit der Praxis befassen. Welche Übungen helfen dabei, die innere Kohärenz zu erhöhen? Dazu in Kürze mehr auf dieser Website!

 

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