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Glaubenssätze und ihre Veränderung

von Michael Schimpke (Kommentare: 0)

Was sind Glaubenssätze?

Glaubenssätze oder Beliefs sind innere Überzeugungen, die als persönliche Leitsätze wirken und wie ein Filter die selektive Wahrnehmung beeinflussen. Der Glaubenssatz '"Das Leben ist ein Kampf" bewirkt, dass überall Konflikte, Streitigkeiten und Auseinandersetzungen gesehen und auch provoziert werden. Eine andere Person hat beispielsweise den zentralen Glaubenssatz "Das Leben ist ein Spiel". Im Coaching würde dann die Frage auf der Hand liegen "Welches Spiel? Schach, Poker oder was meinen Sie?" Auf diese Weise kann man gut das innere Weltbild des Coachees ergründen. Ein Schachspieler wird strategisch denken und mehrere Schritte im voraus planen. Ein Pokerspieler verlässt sich auf sein Glück und auf das Bluffen. Er möchte sich nicht in die Karten schauen lassen. Fatalerweise werden die eigenen Glaubenssätze auch anderen Menschen unterstellt und können so zu erheblichen Missverständnissen führen.

Glaubenssätze werden rasch zur selbst erfüllenden Prophezeihung, indem man den eigenen Beliefs folgt und auch entsprechende Reaktionen im Umfeld selbst bewirkt. Glaubenssätze beeinflussen außerdem das Erleben, Fühlen und Handeln. Die Grundidee in der kognitiven Verhaltenstherapie besteht darin, ungünstige Glaubenssätze so zu verändern, dass Menschen sich besser fühlen, sich selbst als kompetenter erleben, harmonische Beziehungen gestalten und selbstsicher handeln. Dabei folgt die Verhaltenstherapie dem Prinzip "erst die Glaubenssätze transformieren, danach das Verhalten optimieren".

Albert Ellis, Begründer der Rational-Emotiven Therapie sprach von irrationalen Beliefs, die es in rationale Beliefs umzuwandeln gilt. Moderne Ansätze in der Verhaltenstherapie verwenden anstatt Glaubenssätze den Begriff der Schemata.

Im NLP stehen Glaubenssätze für den sprachlichen Ausdruck von persönlichen Wahrheiten. NLP legt den Schwerpunkt auf die Veränderung von Glaubenssätzen, setzt dazu aber andere Werkzeuge ein als die Verhaltenstherapie.

 

Wie entstehen Glaubenssätze?

Glaubenssätze entstehen früh im Leben als der Versuch des Kindes, seine Wahrnehmung sinnvoll zu strukturieren, Erklärungen für Vorgänge in der Welt zu finden und Richtlinien für das eigene Handeln zu erhalten. Beliefs sind durch Erziehungsmuster beeinflusst, orientieren sich an persönlichen Vorbildern (zu Beginn des Lebens meistens an den Eltern) und werden durch Schlüsselerlebnisse geprägt. Viele komplexe Glaubenssätze, also ganze Glaubenssysteme, haben eine systemische Komponente und finden sich wie ein roter Faden in Familienstrukturen wieder. Auch pränatale Einflüsse, Geschwisterreihenfolgen und genetische Dispositionen spielen eine Rolle.

Ein kindlicher Glaubenssatz hat typischerweise die Form eines Handels:

"Wenn ich dieses und jenes tue, bekomme ich etwas dafür."

Konkretes Beispiel: "Wenn ich fleißig bin, haben mich Mama und Papa lieb."

Glaubenssätze folgen also einem Wenn-Dann-Schema.

Der Belief wird demnach mit einer Belohnung verknüpft. Belohnungen können zum Beispiel Anerkennung, Liebe, Schutz, Sicherheit und Wertschätzung sein. Diese Belohnungen sind für kleine Kinder überlebenswichtig und spielen selbstverständlich auch im Leben von Erwachsenen eine zentrale Rolle. Glaubenssätze werden im Laufe der Zeit zu persönlichen Wahrheiten, die zum einen oft nicht bewusst sind und zum anderen hartnäckig verteidigt werden.

Im Rahmen eines Coachingprozesses oder einer Therapie können Glaubenssätze an die Oberfläche gebracht und dann im Sinne des Klienten verändert werden.

 

Was bewirken Glaubenssätze?

Für Erwachsene sind Beliefs in ihrer ursprünglichen kindlichen Form meist unbewusst, haben aber gleichwohl eine enorme Wirkung. Sie steuern die Partnerwahl, Kaufentscheidungen, den Stil des Autofahrens, Urlaubsvorlieben, Karriere, Berufswahl, Konfliktverhalten und vieles mehr. Das ist weder gut noch schlecht sondern einfach ein Hilfsmittel, um sich das Leben zu erleichtern. Glaubenssätze ersparen viel Denkarbeit und führen dazu, dass Menschen ihren bekannten Denk- und Verhaltensmustern folgen. Dummerweise können Glaubenssätze einem Menschen auch im Wege stehen. Dazu ein Beispiel:

Unser bereits bekannter Musterklient Andreas Müller, 41, Bereichsleiter IT bei einem Mittelständler, wird von seinem Chef gebeten, das Unternehmen mit einem Vortrag auf einer Messe zu präsentieren. Von dem Vortrag hängt vieles ab - das Image des Unternehmens, Kundenaufträge, der Kontakt mit Interessenten und natürlich auch Andreas eigenes Renommee in der Company. Schon Wochen vor dem Termin hat Andreas Schlafprobleme, bekommt beim Gedanken an den Messeauftritt Schweißausbrüche und schiebt die Vorbereitung immer weiter hinaus. Er spielt mit dem Gedanken, seinen Vorgesetzten zu bitten, jemand anderen zu beauftragen. Anderseits ist ihm klar, wie wichtig dieser Auftritt für seine eigene Karriere ist. Er beschließt daher, ein Präsentationscoaching in Anspruch zu nehmen. Zur Überraschung von Andreas fördert der Coach bereits in der ersten Sitzung einen Glaubenssatz an die Oberfläche: "Sei bescheiden und falle nicht auf, dann hast du keinen Ärger." Diesen Satz hat Andreas in seinem Elternhaus oft gehört. In vielen Situationen hat der Satz für ihn auch Sinn gemacht. Leider ist dieser Satz heute wie aus der Zeit gefallen, er wirkt jetzt wie eine innere Bremse. 

Noch überraschter als über diese Erkenntnis ist Andreas, als im Coaching in den nächsten beiden Sitzungen der Glaubenssatz mit für ihn vollkommen exotischen Methoden aufgelöst wird - mit dem Klopfen von Meridianpunkten, mit Affirmationen und mit positiven Visualisierungen. Darüber ist Andreas natürlich hoch erfreut. Schließlich kommt der Tag des Vortrags, Andreas ist ein wenig aufgeregt und am Anfang noch etwas nervös, findet dann aber in seine Rolle hinein und ist am Ende von seiner eigenen rhetorischen Performance verblüfft.

 

Was sind die drei relevanten Gruppen von Glaubenssätzen?

Das Thema Glaubenssätze ist ein sehr weites und komplexes Feld, das in diesem Artikel nur skizziert werden kann. Im Folgenden erläutere ich meine pragmatische Einteilung der persönlichen Glaubenssätze in drei Bereiche, die im Coaching wichtig sind. Die Quellen dafür finden sich in der Kognitiven Verhaltenstherapie, in der Rational-Emotiven Therapie von Ellis und im Antreiberkonzept aus der Transaktionsanalyse von Taibi Kahler.

1. Blockaden

Blockierende Sätze untergraben die Motivation, irgendetwas an der Situation zu ändern. Sie negieren die Hoffnung auf Besserung und können auch der Rechtfertigung eigener Schwächen dienen.

Beispiele:

"Für Fremdsprachen bin ich unbegabt."

"Ich kann mich nicht durchsetzen."

"Ich bin ein Opfer."

Mit diesen Blockaden waren in der Vergangenheit des Betroffenen oft Verbote oder auch konkrete Situationen verknüpft, in denen persönliches Versagen erlebt wurde (manchmal auch nur ein vermeintliches Versagen). Im Coaching geht es darum, diese Blockaden zu ermitteln, zu hinterfragen und in eine lösungsorientierte Form zu transformieren. Die Fremdsprachenkenntnisse können z.B. mit dem eigenen Anspruchsniveau zusammenhängen. Es ist die Frage, ob für eine geschäftliche Besprechung Sprachkenntnisse auf akademischem Niveau erforderlich sind. Oder ob es ein Weltuntergang ist, wenn einem eine Vokabel gerade mal nicht einfällt.

2. Antreiber

Antreiber mobilisieren Energien, können einen Menschen aber auch unter Druck setzen, wenn sie sehr stark ausgeprägt sind.

Beispiele:

"Ich muss stark sein."

"Ich muss es allen recht machen."

"Ich muss perfekt sein."

Das Ausmaß der Antreiber spielt eine entscheidende Rolle. "Ich muss stark sein" hilft sicher in Verhandlungssituationen. Es kann auch dazu führen, dass man ausdauernd und fleißig ist und eigene Bedürfnisse hintan stellt. Zahlreiche Freiberufler und Führungskräfte haben diesen Antreiber. Leider kann der Antreiber auch bewirken, Krankheitssymptome zu verdrängen und sich in der Kommuniktion derart rabiat zu verhalten, dass massive Konflikte mit anderen auftreten. Im Coaching lassen sich Antreiber rasch ermitteln. Eine Erleichterung für den Coachee ist schon dann gegeben, wenn die Ausprägung dieses Glaubenssatzes auf ein vernünftiges Maß heruntergefahren wird. Mit 39 Grad Fieber muss man nicht weiter stark sein, sondern darf sich ruhigen Gewissens einen Krankenschein nehmen.

Ein Übermaß an Antreibern führt zu einem hohen Stresspegel im Körper und spielt bei Burnout-Fällen eine große Rolle. Selbstverständlich können Antreiber und Blockaden auch in Kombination miteinander auftreten.

Beispiel: "Weil ich es allen recht machen muss, kann ich mich nicht durchsetzen."

3. Zielführende Glaubenssätze

Die Intention im Coaching ist, dass die Coachees sinnvolle, vernünftige Bewertungen finden und verinnerlichen. Es geht darum, Blockaden und Antreiber sprachlich so umzugestalten, dass daraus sinnvolle und nützliche persönliche Glaubenssätze werden. Dafür gibt es für Coach und Coachee fünf Kriterien, an denen sich beide orientieren können.

  • Vernünftige Bewertungen beruhen auf Tatsachen. 

Daher werden Bewertungen und Glaubenssätze zu Beginn erstmal auf ihren Tatsachengehalt hin überprüft. Oft finden sich Gegenbeispiele, einseitige Schlussfolgerungen und verzerrte Wahrnehmungen. Eine vernünftige Bewertung sucht nach Fakten und Beweisen.                                                               

  • Vernünftige Handlungen und Glaubenssätze helfen, Ziele möglichst schnell und sicher zu erreichen.                

Mit vernünftigen Glaubenssätzen werden keine unnötigen Schleifen gedreht. Stattdessen gehen Menschen mit vernünftigen Glaubenssätze mutig und neugierig auf ihr Ziel zu, sofern diese Ziele bestimmten Kriterien genügen. Welche Zielkriterien gibt es? Diese habe ich bereits hier besprochen: Smarte Ziele und mehr

  • Vernünftige Handlungen und Bewertungen helfen, unnötige innere Konflikte zu vermeiden oder zu überwinden.                                                              

Innere Konflikte können z.B. bei schwierigen Entscheidungen auftreten. Natürlich ist es wichtig, eine gravierende Entscheidung in Ruhe zu bedenken. Problematisch wird es dann, wenn Menschen sich selbst in eine innere Sackgasse manövrieren und entscheidungsunfähig werden. Speziell für Führungskräfte ist das ein No-Go. Eine vernünftige Bewertung hilft, eine Entscheidung auch unter Unsicherheit zu treffen.                                                                           

  • Vernünftige Handlungen und Bewertungen helfen, unnötige Konflikte mit dem Umfeld zu vermeiden oder zu beenden.                                                      

Hier liegt die Betonung auf "unnötig". Menschen mit unvernünftigen Glaubenssätzen haben viele überflüssige Konflikte, die auch mal aus dem Ruder laufen können. Mit einem vernünftigen Glaubenssatz bekommt man einen Maßstab dafür, ob sich ein Konflikt überhaupt lohnt oder nicht. Notwendige Konflikte sollten aber in geplanter und durchdachter Form angegangen werden. 

  • Vernünftige Handlungen und Bewertungen helfen, das eigene Leben und die Gesundheit zu bewahren.

Interessanterweise gibt es zu diesem Punkt oft Diskussionen mit Leistungssportlern oder Führungskräften, die es gewohnt sind, Raubbau an ihrer Gesundheit zu treiben. Wichtig ist, dem Coachee den Preis klar zu machen, den er für seinen Lebensstil zahlt - und dann seine eigene Entscheidung treffen zu lassen.   

 

Was sind die drei Schritte zur Veränderung von Glaubenssätzen?

1. Erkenntnis

Zu Beginn steht die Erkenntnis über das eigene Glaubenssystem. Hier warten auf viele Menschen Überraschungen, da die eigenen Beliefs normalerweise nicht hinterfragt werden. Es gibt zahlreiche Fragebögen, Testverfahren und das ganze Instrumentarium der psychologischen Diagnostik. Ein erfahrener Coach wird Glaubenssätze seines Coachees bereits  im Interview erkennen und benennen. Die Reflexion über die eigene Person ist nicht für alle Menschen angenehm, da man sich dann auch mit den eigenen Widersprüchen auseinandersetzen muss. Der Coachee entscheidet jetzt, ob er seine Beliefs verändern möchte. In diesem Fall folgt Schritt Nr. 2.

 

2. Kognitives Hinterfragen der Glaubenssätze

Im Beispiel von Andreas Müller gab es den Satz: "Sei bescheiden und falle nicht auf, dann hast du keinen Ärger."

Ein kognitiv arbeitender Coach würde zahlreiche Fragen stellen, um diesen Belief zu erschüttern.

- Woher stammt dieser Satz?

- Stimmt dieser Satz in allen Fällen?

- Haben Sie sich immer an diesen Satz gehalten?

- Meinen Sie, dass der Satz heute noch zu Ihnen passt?

- Stellen Sie sich vor, ein Freund hätte Ihr Problem. Was würden Sie ihm raten?

- Was sind die Kosten dieses Satzes?

- Wie sehr überzeugt auf einer Skala von 0-10 sind Sie von diesem Satz?

- Wie würde ein Satz lauten, der heutzutage für Sie passend wäre?

Sie wollen diese Fragen einmal selbst ausprobieren? Am besten lassen Sie sich von jemand anders diese Fragen in Form eines Interviews stellen.

Bereits diese Fragen führen bei Andreas zu einer großen Erleichterung und zu neuen Erkenntnissen. Er ist sich aber noch nicht sicher, ob die Wirkung anhält. An dieser Stelle wäre ein rein kognitives Coaching zu Ende. Empfehlenswert ist ein weiterer Schritt.

 

 

3. Erlebnisaktivierender Beliefchange

Erlebnisaktivierende Übungen wirken wir ein Turbo auf die Psyche und stehen im Mittelpunkt des Integrativen Coachings. Diese Methoden sind multisensorisch, sprechen also verschiedene Sinneskanäle an, führen zu starken Empfindungen und aktivieren Ressourcen beim Klienten.

Bei Andreas Müller schlägt der Coach einige Methoden vor, die das emotionale Erleben ansprechen und verändern. 

Im konkreten Fall sind das die Methoden

-  eine hypno-systemische Bearbeitung des Themas Präsentationsstress

-  die Energetische Psychologie des amerikanischen Therapeuten Fred Gallo, auch bekannt als "Meridianklopfen"

-  die Wingwave-Technik, bei der die beiden Hemisphären des Gehirns stimuliert werden.

Mit einer Mischung dieser Techniken lässt sich der Auftrittsstress rasch abbauen. Andreas Müller entwickelt einen einen neuen Glaubenssatz: "Ich genieße es, wenn ich auf der Bühne stehe und meinen Vortrag halte. Ich bin offen für Rückmeldungen aus dem Publikum."

Soweit dieser Überblick zu den Glaubenssätzen.

Sie wollen Ihre eigenen Antreiber einmal kennenlernen? Dann beantworten Sie doch einfach die Fragen aus diesem  Antreibertest

 

 

 

 

 

 

 

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